Verantwortungsvolle Tierhaltung

von Hendrik Watermann

Dies ist die Geschichte über eine Familie, die ihrer Verantwortung in Bezug auf artgerechte Zierfischhaltung in bemerkenswerter Konsequenz nachkommt. Sie zeigt zugleich, wie sehr sich Menschen für die Aquaristik begeistern können und dass dies ein Hobby für die ganze Familie sein kann.

 

Der Bericht basiert auf meinen persönlichen Erkenntnissen als Lieferant mehrerer Aquarien und regem Erfahrungsaustausch mit den Kunden. Genau genommen handelt es sich um ein in die Aquaristik verliebtes Ehepaar und dem Sohn, der ebenfalls in dieses Hobby vernarrt ist. Es erfolgte keine Absprache, so dass es möglich ist, dass ich nicht alles so wieder gebe, wie es sich tatsächlich zugetragen hat. Das aber ist sicher auch nicht ausschlaggebend.

 

Es begann 1998, als mich das Ehepaar zum ersten Mal kontaktierte. Sie beabsichtigten die Anschaffung eines „größeren“ Aquariums. Als Grund wurde mir gesagt, dass die Buntbarsche zwischenzeitlich zu groß geworden seien und Anspruch an ein größeres Becken stellten. Es handelte sich dabei um einige Astronoti ocellatus, wie mir die Familie fachkundig zu berichten verstand. Nach dem die Tiere eine Zeit in dem 160cm Aquarium verbracht hatten sollte nun ein 2 Meter-Becken her.

Bild: Astronotus ocellatus subadult
Astronotus ocellatus subadult (Foto aus Kundenarchiv)

Ich sah mir die Angelegenheit vor Ort an und war angenehm überrascht, dass die Astronoti „erst“ ca. 15cm groß waren. Wer nicht weiß, um welche Fische es sich handelt, sollte einen Blick auf den Steckbrief werfen. Der Pfauenaugenbuntbarsch - oder auch als Oskar bezeichnet, wird entgegen aller Vernunft immer wieder in Zoohandlungen angeboten.

 

Ein größeres Aquarium musste her

Das allein wäre nicht weiter tragisch, wenn die besonders kleinwüchsig sehr attraktiven Fische nicht so häufig verkauft würden. So ergibt es sich, dass die für Standard-Beckenformate viel zu groß werdenden Fische in vielen Fällen ein trauriges Dasein fristen.

 

Bei der Familie Sch. war das anders. In der Konsequenz sollte das zwischenzeitlich 3. Aquarium für die Astronoti 2 Meter werden. Ich empfahl ein noch größeres. Wusste ich doch, dass ohnehin kurze Zeit nach Kauf eines 2-Meter-Beckens (ca. 800l) wiederum eine Neuanschaffung bevorstand. Die Frage war nur: Wo konnte ein größeres Becken stehen?

Bild: Im Bau befindliches Aquarium
Noch im Bau befindliches Aquarium

Wer begeistert ist, der findet immer eine Lösung. Und so ergab es sich, dass ein ganz anderer Platz mit einer Länge von 350cm frei geräumt wurde. Woraufhin ein Aquarium von gleicher Länge bei adäquater Tiefe und Höhe bestellt wurde.

 

Im Februar 1999 zogen die Astronoti schließlich in Ihr neues Zuhause. Es war für Tier und Mensch ein gleichermaßen glücklicher Augenblick.

Ein halbes Jahr später wurde ich mit meiner Frau zu einem Essen eingeladen, womit sich die Familie Sch. bei einigen Ihrer zahlreichen Helfer bedankte, die beim Transport des etwa 500kg schweren Aquariums mitgeholfen hatten. Wir aßen nicht allein. An diesem Abend haben wir vor dem bewussten Aquarium dinierend erleben können, mit welchem Aufwand Herr Sch. ebenso die Mahlzeit seiner Fische „zubereitete“. Ich habe in 40 Jahren intensiver Aquaristik schon viel erlebt, aber das hat mich schon sehr beeindruckt.

 

Aber was wäre an der Geschichte so besonders, wenn nicht noch ‘was folgen würde!

 

Neue Dimension

Bild: Phractocephalus hemioliopterus, Rotflossen-Antennenwels
Der Fisch, um den es in dieser Geschichte geht (Foto Kundenarchiv)

Es war ein Wels, der einige Zeit darauf die bedeutendste Rolle spielen sollte. Ein Fisch, der als „Beifang” wohl in Unkenntnis des Zoohändlers verkauft wurde. Der Wels wird, im Gegensatz zu dem Astronotus ocellatus, zum Glück selten importiert. Es handelte sich um Phractocephalus hemioliopterus, einem geschätzten Speisefisch aus dem amazonischen Gebiet Südamerikas. Berichten zu Folge ist die Fischart für Aquarienhaltung nicht geeignet.

 

Die Vorbesitzer mussten sich von diesem Wels trennen, da diese inzwischen erkannt hatten, dass es sich bei dieser Fischart nicht gerade um den idealen Gesellschaftsfisch handelte. Als Welsfreak hatte der Sohn der Familie Sch. ganz begeistert zugeschlagen und den seinerzeit noch relativ kleinen Wels in ein über 500l grosses Aquarium überführt. Dort genoss der auf den Vornamen „Welli“ getaufte Fisch eine liebevolle Pflege und nährstoffreiche Versorgung. Was wiederum den baldigen Umzug in ein größeres Behältnis absehen ließ.

 

Wohin soll das nur führen?

Der Gedanke, dass der Raubfisch in das 2.500l Aquarium einziehen konnte, begeisterte die Eltern nicht. „Welli Hartmann” (Nachname vom Vorbesitzer) war zwar gerade erst ca. 35 cm lang. Aber die Nahrungsgelüste dieser Welsart sollten mit entsprechendem Wachstum enorm sein.

Bild: Astronotus ocellatus,Pfauenaugenbuntbarsch, adult
Astronotus ocellatus, adult (Foto Kundenarchiv)

Die Pfauenaugenbuntbarsche, zwischenzeitlich auf ca. 30cm herangewachsen, sollten nicht eines Tages auf dem Speiseplan des Welses stehen. Das konnte und wollte sich zwar niemand so richtig vorstellen, aber ähnliche Informationen waren glaubhafter Literatur zu entnehmen.

Was also tun?

Inzwischen standen bereits an jedem verfügbaren Platz im Haus Aquarien, da keines der vorherigen Becken aufgelöst wurde. Es wurden schon Scherze gemacht bei den Überlegungen, wo man überhaupt noch ein Aquarium aufstellen dürfte (Hausneigung ;o). Immerhin musste das Aquarium für diesen Fisch, wollte man sich nicht früher oder später von ihm trennen, nochmals deutlich größer werden als das 2.500l Becken.

 

Es blieb nur eine Lösung: Das Auto musste fortan auf der Straße stehen. Die unter den zwischenzeitlich zahlreich angeschafften Welsarten größte werdende Spezies sollte ein 5-Meter-Aquarium bekommen und ein paar geeignete Mitbewohner. Die sehr große Garage, in der sowieso schon die Anlagentechnik des im Geschoss darüber befindlichen 2.500l-Aquariums stand, musste entsprechend umfunktioniert werden. Es gab keine Alternative.

 

Pläne schmieden

Gemeinsam haben die Familie Sch. und ich überlegt, was bei der Konzeption des Aquariums bedacht werden sollte. Ich selber habe mich zuvor noch nicht mit der Haltung dieser Welsart auseinandergesetzt. Meine Kunden wussten hingegen schon sehr genau, worauf es bei dem Fisch ankommt. Ich machte entsprechende konstruktive und technische Vorschläge, die diese Punkte berücksichtigten, und die Anlage bekam nach und nach ein Gesicht.

 

Die wichtigsten Parameter bei der Planung des Aquariums waren

  • solide Verarbeitung (Beckeneinrichtung, Schutz gegen Steinschlag!)
  • leistungsfähiger Biofilter als Rieselfilter (Belastung/Sauerstoffbedarf)
  • effektive mechanische Filterung (einfach und schnell zu reinigen)
  • hohe Wasserumwälzung (naturnahe Strömung)
  • automatischer Wasserwechsel (stabile Wasserqualität)
  • leichte Bedienbarkeit aller technischen Gräte
  • geringer Energieverbrauch

Die Beckentiefe wurde auf 120cm festgelegt, sodass die Grundfläche mit 6 Quadratmetern den Ansprüchen des Fisches gerecht werden konnte. Eine Glasstärke von 19mm, die spezielle Strebenkonstruktion und Bodennahtverstärkung sollten die Solidität bieten und gleichzeitig eine lange Haltbarkeit sicherstellen. Jetzt konnten erste Zeichnungen erstellt werden.

 

Gut geplant ist halb gewonnen

Bild: Zeichnung eines 4.800l-Aquariums
Eine von mehreren Zeichnungen, die dem Kunden eine Vorstellung von dem Aquarium gaben

Um den Energieverbrauch niedrig zu halten, wurde die gewünschte Umwälzleistung von 20.000 l/Std. auf 2 Pumpen verteilt, zumal aufgrund der Länge des Beckens ohnehin 2 Druckseiten nötig waren. Weiterhin wurde statt einer elektrischen Heizung ein Wärmetauscher eingeplant, der an die Heizungsanlage des Hauses angebunden werden konnte. Aufgrund der großen Bodenfläche konnten die bedienbaren Elemente der Technik übersichtlich und leicht erreichbar im Vordergrund des Unterbaus plaziert werden.

 

Umzug ins neue Quartier

Bild: Zutraulicher Phractocephalus hemioliopterus, Rotflossen-Antennenwels
Der Wels in seinem neuen Zuhause (Foto Kundenarchiv)

Im Mai 2003 war es dann soweit. Der Wels sollte aus der 1. Etage in sein neues Domizil im Kellergeschoss überführt werden. Um den Fisch nicht zu verletzen und keinem unnötigen Stress auszusetzen, wurde zunächst die Wassertemperatur einige Grade reduziert, da dieses Verfahren die Agilität etwas herabsetzt. Der Transport wurde dann in einem nassen Bettlaken hängend vollzogen. Dieses Vorgehen stellte sich als optimal dar, denn der Wels hatte keinerlei sichtbare Schleimhautverletzungen davongetragen und zeigte schon kurz darauf sein bekanntes zutrauliches Verhalten.

 

Wieder in Gesellschaft

Bild: Phractocephalus hemioliopterus, Rotflossen-Antennenwels

Auf dem Foto oben ist der Wels ca. 10 cm größer als die etwas weiter zurück stehenden, aber wuchtigeren Astronoti. Er fühlte sich sichtlich wohl. Das konnte man seiner Schwimmfreude und dem Interesse an allem, was sich bewegte, innerhalb oder ausserhalb des Aquariums, entnehmen.

Bild: Phractocephalus hemioliopterus, Rotflossen-Antennenwels
(Fotos aus Kundenarchiv)

 

 

Auf diesem Foto, das wenige Monate darauf gemacht wurde, kann man bereits erkennen, dass der Körperbau massiger geworden ist und die Färbung intensiver.

Ergebnis artgerechter Tierhaltung

Ich habe den Wels erst ca. 2 1/2 Jahre danach wieder gesehen und traute meinen Augen nicht. Was war aus diesem Tier geworden!


 

Fotos und Steckbriefe der anderen Fische in diesem Becken finden Sie hier.

Fotos vom Bau der Aquarienanlage hier.